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Gold-Thaler
von Gazania

Vorbemerkung: die Zeitangabe im Text ist natürlich in Auenlandzeit (AZ)

Das Muster der Tischdecke zeigt Blumen und Bäume. Etwa in der mitte des kleinen, runden Tisches steht eine seltsam anmutende Holzschale, in der eine kleine Kerze eingelassen ist, die ihre Flamme tanzen lässt. Er schaut sich um. Ein hübsches Lokal ist das, rustikal und modern gleichermaßen, so wie er es aus Hobbingen gewohnt ist. Die junge Hobbit, die hier anscheinend kellnert, bewirtet und kocht, kommt zu ihm. "Tach auch, der Herr." sagt sie, "Was darfs´n sein?" Er sieht sie nur fragend an. "Ich wette, Ihr nehmt´n Grüntee, woll?" - "Grüntee? Grüntee klingt ganz hervorragend, Fräullein....?" antwortet er lächelnd. "Schmierfink. Mokey Schmierfink bin ich, zu Diensten." - "Freut mich. Ich bin Isbert Wolkenfänger aus Hobbingen, wandernder Musikant und Genießer. Sagt, was für Grüntee habt Ihr denn im Angebot?" - "Momentan hab´ich vier Sorten im Angebot, woll. Der günstichste is´ der Südhangtee, ein kräftiger Grüner mit´m Hauch von Apfelgeschmack, weiler neben Apfelbäumen gewachsen is. Dann hab´ich da nochn Bühler Bömskes, der kommt ausm kleinen Garten unterhalb des Bühls und wird nachm ernten gleich zu Kügelchen gerollt, deshalb schmeckter ziemlich frisch." Isbert nickt leicht und hört interessiert zu. "Den Dachsbautener Schafstee bau ich hinter´m Laden selbst an, so wie´s meine Familie seit Jahren macht. Er wird nur mit Schafsdung gedüngt und während´er Wachszeit bekommen die Schafe nur frische Früchte und Beeren, was´m Tee ´ne dezent fruchtige Note gibt, woll." - "Klingt gut... sehr gut sogar. Aber Ihr sprachet von vier Grüntees?" - "Ja, richtich... Ich..." Mokey wird etwas leiser. "Ich hab´ derzeit was ganz besonderes im Angebot: echten Gold-Thaler, frisch aus Thal importiert. Is´n würzichintensiver Tee, der Lust auf´s Abenteuer machn soll und den Geist anrecht, woll. Man sacht, es wäre das Lieblingsgetränk des Waldelbenkönichs, das ihn oft genug zu rauschenden Festen inspiriert habe." Isbert nickt lächelnd. "Davon hätte ich gern eine Kanne." - "Sehr gern. Er is´ allerdings nich grad günstich..." Der Mann winkt ab. "Eine Kanne. Und bringt doch bitte zwei Becher mit, wenn Ihr so gut seid."

Wenige Minuten später stehen zwei Kannen und zwei Becher auf dem Tisch. Die eine Kanne dampft verdächtig, die andere ist leer und wurde von Mokey auf die seltsam anmutende Holzschale gestellt, wo sie nun von der Kerze gewärmt wird. Kurz darauf kippt die junge Hobbit den fertigen Tee aus der dampfenden in die leere Kanne. Ein fantastischer Duft breitet sich aus. Es riecht nach Zimt, Kirschen, Lagerfeuer, nach Meer und Wald... und noch ein bisschen was anderem. "Erwartet Ihr noch jemanden?" fragt Mokey, als sie die Becher auf den Tisch stellt. "Nein, eigentlich..." er schaut sich einmal kurz um, "...eigentlich hatte ich gehofft, Ihr würdet mir die Ehre erweisen und bei einem Becher Tee noch ein wenig mit mir plaudern?" Um diese Zeit ist die Gaststube eigentlich immer recht leer, und das ist heute nicht anders, also spricht eigentlich nichts dagegen, dem einzigen Gast Gesellschaft zu leisten. "Sehr gern." antwortet sie und stellt die Kanne, in der nunmehr noch die benutzten Teeblätter sind, auf die Theke, bevor sie sich zum Herrn Wolkenfänger an den Tisch setzt.

"Und dieser Tee kommt tatsächlich aus Thal?" - "Jaha, und wie!" - "Wie seid Ihr denn an solch eine Kostbarkeit gekommen? Thal ist doch mehrere Tagesreisen... wenn nicht gar Wochenreisen von hier entfernt." fragt Isbert und nippt an seinem Tee. "´n alter Bekannter hat´n mir mitgebracht, woll. Ein Zwerch aus Thorins Hallen, der ´ne lange Zeit innen Erebor- Hallen, ganz nah bei Thal gelebt hat. Is vorn paar Tagen zurückgekehrt und wusste, dass ich ihm für´n Tee ´nen guten Preis zahlen würd." - "Und es hat sich gelohnt. Der Tee ist wahrlich köstlich." - "Ja, woll." Sie nimmt einen kleinen Schluck und lächelt. "Und wenn´er was Zeit habt, erzähl ich auch, warum er so köstlich is." Er schaut sie interessiert an. "Zeit für eine Erzählung habe ich immer, Fräullein Schmierfink. Ich lebe praktisch davon."

Mokey nimmt noch einen Schluck Tee, schließt kurz die Augen und lässt den Geschmack sich entfalten. Sie beginnt zu lächeln und schaut in den Becher, den sie in der Hand schwenkt. "Wisster, meine Ma sacht immer Alles waste der Erde gibst bekommste auch wieder. Und ´se hat Recht. Wenn ich´de Erde gieße, werden die Pflanzen dick und saftich, bleibt´de Erde trocken, werden´se schrumpelich und klein." Isbert nickt verstehend. "Und so isses auch beim Tee, woll. Alles was´de Erde bekommen hat is´ im Tee mit drin... und in Thal is´ das ´ne ganze Menge!" Sie überlegt kurz. "Nehmt mal ´nen Schluck innen Mund und wartet ´nen Moment." sagt sie dann. Isbert tut, wie ihm geheißen. "Merkste diesen leicht angebrannten Geschmack, der so´n bisschen schmeckt wie´n Lagerfeuer riecht?" Er nickt. "Ganz früher wurde Thal zwei Mal von´nem Drachen verwüstet. ...Schmauch ...oder so ähnlich hieß der, woll." - "Smaug, ja, ich habe davon gehört." - "Wie? Tzmauk?" - "Beinahe. Mit Sm vorne, wie bei Smial." - "Smauk." Mokey nickt knapp. "Gut, jedenfalls ham´wa diesem Smauk den verbrannten Geschmack zu verdanken." - "Inwiefern?" fragt Isbert. "Na, die ganzen Hütten und Leute, die´er verbrannt hat, woll. Die wurden irgendwann kleingekloppt und vom Regen aufgelöst... und dann vonner Erde aufgesaucht. Naja, und das schmeckste jetz im Tee, woll." - "Meint Ihr, das schmeckt man nach so langer Zeit noch?" - "Aber natürlich." antwortet Mokey überzeugt. "Die Erde vergisst nich... probiert nochmal." - "Liebend gerne." sagt Isbert und hebt den Becher.

"Spürt´er den ganz schwachen Nachgeschmack? Den kirschigen?" Isbert nickt. "Ja, in der Tat." Mokey lächelt. "Der is´ viele Jahre später entstanden. Smauk war längst tot und die Stadt wieder aufgebaut, ´s dürfte wohl so um 1400 gewesen sein. Mein Oppa sachte immer, da hätte ´n Könich Bein regiert." - "König Bein?" Isbert schmunzelt. "Ja, Bein. Seltsamer Name, selbst für´n Langen, woll! Aber der hat mitten Kirschen garnich so viel zu tun, der war da nur zufällich Könich." - "Achso." Er nickt. "In Thal is´ nämlich mal was passiert, worüber die Menschen dort nich gerne reden. Als dieser Könich Bein eben Könich war, da diente unter ihm ´nen Wachmann Namens Kerm...

Es war einer dieser Morgende, die Kerm so hasste. Ein Montag Morgen. Nach einem durchzechten Wochenende quälte er sich aus dem Bett zum Wasserbecken, um sich zu waschen. Dann zwängte er sich in seine etwas eng gewordene Dienstkleidung und schlurfte zur Wachstube. "Melde mich zum Dienst." sagte er, als er sie betrat. Sein Chef, Hauptwachmann Bodo, kam auf ihn zu. "Kerm, gut dass du da bist. Wir haben wieder eine Vermisste, diesmal wieder mit einer Spur... möglicherweise wurde sie umgebracht. Würdest du dich bitte gleich darum kümmern?" Kerm gähnte. "Na sicher. Wo finde ich die Spur?" - "Bei Annis und Holgars Haus. Es geht um ihre Tochter."

Seit Wochen ging das nun schon so. Alle paar Tage wurde irgendjemand von einem Bauernhof vermisst und tauchte bislang auch nicht wieder auf. Angefangen hatte alles mit Bertards Frau Matfriede, die im Frühjahr einfach verschwand. Mittlerweile war es fast Sommer und die einzigen "Spuren", die sie hatten, waren gelegentlich recht große Blutlachen oder -flecken, die darauf hindeuteten, dass der oder die Verschwundene umgebracht wurde. Manchmal auch eine Stelle, an der ein Kampf stattgefunden haben musste. Sensationell. Wahrlich wird diese neue Spur den direkten Weg zum Täter deuten... mann, momentan ging Kerm dieser Job echt auf die Nerven.

Holgar öffnete die Tür. "Oh, grüß´ dich, Kerm." sagte er zitternd. "Grüß´ dich, Holgar. Du, ich... ich bin hier um..." - "...um die Spur zu untersuchen und mich und meine Frau zu befragen. Ich weiß, Kerm. Komm´ doch rein, bitte." unterbrach Holgar ihn. Drinnen saß Anni schon an einem Tisch, ihr verweintes Gesicht mit einem Tuch abtupfend und schluchzte. "Grüß´ dich, Anni." sagte Kerm. "Kerm..." antwortete sie und begann zu weinen. "Sie... Sie ist..." Holgar seufzte. "Komm, ich zeig´ dir die Spur."

Diesmal war die Spur keine Blutlache, sondern ein Flecken plattgetrampelten Grases und ein paar zertretene Kirschen hinter´m Haus. "Sieht so aus, als hätte sie sich gewehrt, was?" sagte Holgar. "Also wurde sie entführt." ergänzte Kerm und seufzte. "Was meinst du dazu?" - "Naja, Holgar... es hat ein Kampf stattgefunden... das bringt mich jedoch nicht unbedingt weiter, verstehst du?" - "Und was ist mit den Kirschen?" - "Was soll mit den Kirschen sein. Da haben sie wohl im Kampf draufgetreten." - "Na, aber wo kommen die denn überhaupt her?" Kerm ging ein Licht auf. Spätestens seit seinem zweiten Besuch, als er die Familie mit einem Kirschkuchen überraschen wollte, sollte er wissen, dass sowohl Holgar als auch Anni und ihre Tochter Ferra Kirschen verabscheuten. Er sah sich um. Weit und breit kein Kirschbaum zu sehen. Wo auch immer diese Kirschen herkamen, so schien es doch sehr wahrscheinlich, dass sie mit dem Täter angereist waren.

In Thal gab es nur einen Hof, an dem auch Kirschbäume standen. Das war der, der von Kleesa und Dillo zusammen mit ihrem Sohn Baros bewirtschaftet wurde. Höchste Zeit, sich dort einmal umzusehen.
"Wissen Sie, Kerm, es ist so dass wir unseren Hof nunmal nicht rund um die Uhr bewachen können." sagte Dillo, während er den Wachmann herumführte. "Gerade Kirschen und Äpfel werden gerne stibizt, meistens von Kindern. Aber..." Er lacht. "...wer hat das früher nicht gemacht! Ich schätze, das gehört einfach zur Kindheit dazu." - "Sicherlich." murrte Kerm. "Und sonst hat auch niemand Kirschen gekauft?" Dillo lächelte. "Na hörn´se mal, es ist Kirschzeit. Natürlich kaufen eine Menge Leute unsere Kirschen, fast die Hälfte aller Leute aus Thal..." Das ganze entwickelte sich schon wieder zu so einer Spur, die zu nichts als einer Menge Papierkram führen würde.

Zurück in der Wachstube ging er die Hinweise noch einmal durch. Elf Vermisste waren es bis jetzt, alle von den neun Thaler Bauernhöfen. Zuerst verschwand Matfriede von Bertrads Hof, kurz darauf Dros´ Sohn Dram. Und dann, etwa eineinhalb Wochen später, wurden die beiden jüngsten Kinder vermisst: Issna, die Tochter von Rothar und Nathe sowie Oska, der einzige Sohn von Katja, deren Mann vor vielen Jahren an einer schweren Krankheit gestorben war. Erstaunlich, wie sie es seither schafft, den Hof allein zu halten. Nach ihm war es dann Tom, der Sohn von Sepp und Minke, der spurlos verschwand und kurz darauf Issnas Mutter Nathe. Sie war der erste Fall, bei dem eine Blutspur gefunden wurde. Als Fiß, der Sohn von Knork und Linde nicht nach Haus kam, machte sich sein Vater auf die Suche nach ihm und blieb nur zwei Tage später ebenfalls verschollen. Toms Schwester Felma und Oluv, Mann von Tella und Vater zweier Töchter waren die letzten, bevor es Ferra erwischt hatte. Was für ein verwirrender Mist!

"Aber Moment mal!" Kerm sah auf und überlegte kurz. Dann überflog er die Liste nochmal. "Tatsächlich..." murmelte er, "...von jedem Hof wird jemand vermisst... von jedem... ausser..." Er verstummte. Sollte es wirklich Zufall sein, dass der einzige Hof, der verschont wurde, auch der einzige ist, auf dem Kirschbäume standen? Oder würde dort die nächste Entführung stattfinden? Wie auch immer, es konnte jedenfalls nicht schaden, Dillos Hof im Auge zu behalten.

Gegen Nachmittag war Thal in Trauerstimmung. Wieder suchten die Wachleute die Stadt und das umliegende Land ab und befragten die Leute, diesmal nach Ferra. Auf der Straße wurde nur wenig darüber geredet. Die Leute hatten Angst - wen würde es wohl als nächstes erwischen und was erwartete die Bemitleidenswerten? Manche mutmaßten, Smaug wäre auferstanden oder ein anderer Drache wolle Rache für ihn und fräße nach und nach alle auf. Aber dafür gab es keinerlei Hinweise. Niemand wusste genaueres, und wenn etwas noch schlimmer sein konnte als eine furchtbare Nachricht, so war es die Unsicherheit, in der ganz Thal sich befand.

Über eine Woche lang passierte nichts. Kerm hatte ein kleines Zimmer bezogen, von dem aus er Dillos Hof und besonders die Kirschbäume gut im Blick hatte, redete während seiner Patroullie mit den Leuten und wartete darauf, auf eine neue Spur zu stoßen. Eines Morgens wurde er unsanft geweckt. Es war Montag und der ältere Mann, dem die Wohnung zum Zimmer gehörte, hatte einen Boten für Kerm hineingelassen. Penetrant klopfte es an der Zimmertür. "Entschuldigt? Wachmann Kerm?" Klopf, klopf, klopf. "Wachmann Kerm?" Klopf klo... Kerm gähnte und schälte sich aus dem kleinen Bett, dann öffnete er genervt die Tür. "Was gibt´s?" fragte er gähnend. "Wachmann Kerm, ich... ich hab´ eine Nachricht von Hauptwachmann Bodo. Ihr sollt Euch umgehend bei ihm melden, sagt er, die Kirschen seien weg und noch mehr... Ihr wüsstet schon, was er meint." Plötzlich war Kerm hellwach. Er bezahlte den Boten, zog sich an und eilte zur Wachstube.

"Die Kirschen sind weg, Kerm." sagte Bodo aufgeregt. "Eine ganze Kiste wurde direkt aus Dillos Lager gestohlen! Stell´ dir das nur vor! Das ganze Beobachten umsonst! Und nicht nur das..." sagte er, beinahe verzweifelt, "...es wurde wieder jemand entführt. Gonne, die jüngste von Tella ist seit gestern Abend nicht wieder aufgetaucht." Kerm seufzte.
Auf Tellas Hof gab es nichts zu sehen außer ein paar kleineren Blutflecken. "Sieht so aus als wurde jemand verwundet." bemerkt Kerm. Tella schluchzte. "Ja, sieht so... sieht so aus. Wahrscheinlich meine kleine... meine kleine Gonne." Im Gegensatz zu der Kampfspur auf Holgars Hof war diese hier in einem Schuppen mit Holzboden.
In Dillios Kirschlager standen drei Kisten voller Kirschen und eine ganze Menger ebensolcher leerer Kisten. Ganz schlichte Holzkisten, mit denen man Obst oder andere Dinge luftig transportierte. "Gestern Abend waren es noch vier." sagte Kleesa, Dillos Frau, die unerwartet neben Kerm aufgetaucht war. "Vier?" - "Ja, vier volle Kisten. Eine wurde uns gestohlen, wie man sieht." Kerm sah sich noch etwas um und beschloss dann, sich noch einmal mit allen Hofbesitzern zu unterhalten.

Der Einfachheit halber fing er beim ersten auf der Liste an und besuchte Bertrad. Sein Hof war nur ein kurzes Stück von Dillios entfernt, Kerm war gespannt, ob Bertrad seinen Verdacht bekräftigen würde.
"Grüße Sie, Herr Wachmann." - "Grüß´ dich, Bertrad. Wie geht´s?" - "Och, man lebt, nech. Der Hof läuft ganz gut, auch wenn´s ohne Matfriede ´n bisserl anstrengender ist. Und selbst?" Kerm seufzte. "Diese Entführungsgeschichte frisst mich völlig auf, Bert. Die Lösung ist so greifbar nahe, aber ich komm nicht drauf." - "Komm´ erstmal rein. Wie wär´s mit ´nem Bierchen?" Kerm zögerte, er war schließlich im Dienst. Aber ein Bier wäre jetzt vielleicht genau das Richtige um seine Gedanken zu ordnen... "Eins nehm´ ich gerne, danke." Bertrad verschwand kurz in der Küche und kam mit zwei Krügen schäumenden Bieres zurück. "Also, was kann ich für dich tun, Kerm?" Kerm seufzte abermals und trank einen Schluck Bier. "Sag, du kennst doch den Dillo und seine Familie recht gut?" - "Allerdings, das tue ich. Verdächtigst du sie?" - "Wieso sollte ich sie verdächtigen" fragte Kerm, lauernd auf eine Antwort, die seinen Verdacht bestätigen würde. "Na, ich weiß nicht. Mir ist nur aufgefallen, dass Dillos Hof der einzigste ist, von dem noch niemand verschwand. Es sei denn, es stimmt, was man so hört." - "So? Was hört man denn?" - "Nun ja, dass wieder jemand entführt wurde. Vielleicht war es ja jemand vom Dillos-Hof?" - "Nein. Raala, die Tochter von Tella, ist verschwunden." Bertrad sah eine Weile betroffen auf die Tischplatte, stand dann auf und ging in die Küche.

Als er wiederkam stellte er ein Brettchen mit Käse- und Brotstückchen auf den Tisch. "Weißt du, dem Dillo wurde eine Kiste Kirschen gestohlen." Bertrad lachte. "Gestohlen? Ha, dem wird doch ständig irgendwas gestohlen..." Da hatte er allerdings Recht. Bauer Dillo meldete andauernd den einen oder anderen Diebstahl, von denen noch kein einziger aufgeklärt werden konnte. Manchmal fragte Kerm sich, ob der Bauer die ganzen Sachen überhaupt besessen hatte. Und die Kirschkiste hatte er vorher auch nicht gesehen. "Du traust ihm wohl nicht, was, Bert?" - "Ihm trauen? Du spinnst wohl! Wie oft hab´ ich mich schon beschwert, dass der meine Felder kaputt macht? Dass der meine Ernte sabotiert?" - " Drei Mal. Und es gab nie einen Beweis dafür, Bert." unterbrach der Wachmann ihn. "Beweis! Pah, ich weiß, dass er´s war! Und er hat auch meine Matfriede auf dem Gewissen, garantiert! Und all die anderen! Und nun auch noch die kleine Gonne, verdammt!" schrie er. Gut, aus Bertrad würde er wohl keine brauchbaren Informationen mehr gewinnen können. Also nahm er sich noch ein paar Käsehäppchen und verabschiedete sich.

Draußen auf Bertrads Hof setzte er sich auf einen Baumstupf und aß den Käse. Er dachte nach. Könnte es sein, dass Dillo ihn an der Nase herumführte? Aber warum? Und hatte er vorhin nicht gesagt, Raala wäre entführt worden? Ja, hatte er, er verwechselte Tellas Töchter ständig. Trotzdem wusste Bertrad von Gonne... dann fiel sein Blick auf einen Haufen Gerümpel. Alte Bretter lagen dort... und... eine Kiste. Er stand auf und sah sie sich an. Eine einfache Holzkiste mit roten Flecken auf der Innenseite war es. Und sie roch nach Kirschen.

...es stellte sich heraus, dass Bauer Bertrad hinter all dem steckte. Er hatte seine Frau im Suff erschlagen, weiler ihr die Schuld dran gab, dass auf seinem Hof keine Kirschbäume wuchsen. Und um das zu vertuschen hatter die andern alle entführt und getötet, woll. Das verringerte gleichzeitig auch noch die Konkurrenz." - "Ah, und aus Neid auf Dillo und seine Kirschen hat er versucht, den Verdacht auf ihn zu lenken, richtig?" - "Genau." - "Aber was hat das nun mit dem Tee zu tun?" Isbert sah sie gespannt an. "Nunja, Bertrad war so verzweifelt wegen der Kirschbäume und weil bei ihm nichts so richtich wachsen wollte, dasser wütend auf die Kirschen und die anderen Bauern wurd, woll. Und deswegen hatter ihnen den Mund mit Kirschen vollgestopft, bisse dran erstickt sind." Isbert verzieht das Gesicht. "Ouh..." Mokey nickt. "Genau. Und ein paar Wochen später habense dann elf kleine Kirschbäumchen anner abgelegenen Ecke von Bertrads Hof ausm Boden sprießen sehen... und alle elf Leichen gefunden, mitsamt seiner Frau." - "Elf? Und was ist mit Gonne?" - "Oh, die hat überlebt. Aber was viel wichtiger is: Die ganzen Kirschen, die Bertrad verbuddelte und´de Kirschbäume, die immer noch dort wachsen, sind für den kirschigen Nachgeschmack verantwortlich." Sie trank ihren Becher leer und stand langsam auf.

"Übrigens," sagt sie, schon stehend, "´n paar Jahre später haben Gonne und Baros, der Sohn von Dillo geheiratet und zusammen den Hof von Bertrad übernommen. Bertrad selbst wurde natürlich zum Tode verurteilt und verbrannt, woll, aber auf seinem Hof wächst seither Tee, die einziche Pflanze, die´er selbst nie angebaut hatte... in hervorragender Qualität. Und elf dauerblühende Kirschbäume, die acht verschiedenen Höfen gehören." Isbert lächelt. "Ich hätte gern noch eine Kanne davon." sagt er.

Shahn Gomeli T.B. Trennlinie Impressum