Trautes Heym Gästebuch


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Eine neue Heimat für den Barden

Einige Jahre zog Shahn nun schon allein durch die Hügel und Wälder, trug Neuigkeiten von Ort zu Ort, sammelte Geschichten und unterhielt die Leute mit seinem Spiel.
Das Geld für Kost und Logis in den Gasthäusern zusammenzubringen kostete ihn meist nicht mehr als 2 oder 3 Lieder oder Geschichten. Jeder Tag brachte Neues und auch der heutige würde sicherlich keine Ausnahme darstellen.
Nach einem reichlichen Frühstück, das er dem Wirt mit einem großzügigen Trinkgeld dankte, stand er auf, zog sein Wams zurecht, legte den Schwertgurt um, schob die Laute auf den Rücken und verließ mit einem lauten, frohgemuten "Talli Ho" in Richtung des Wirtes die Taverne.
Ja, dieser Tag schien vielversprechend zu werden. Im Osten hatte sich gerade die Sonne zur Gänze über die kleine Hügelkette am Horizont erhoben, und wenn man den Kopf ein wenig schief legte und in das sich gerade vom rotgold zum goldgelb verändernde Licht schaute, dann schien die weite noch vom Tau benetzte Grasfläche, die sich vor ihm ausbreitete, mit ihrem silbernen Glitzern wie ein stiller See, über den sanft der Wind streicht und die Oberfläche kräuselt.
Ein freudiges Lächeln voll froher Erwartung zog seinen Mund in die Breite und entblößte zwei Reihen gesunder, fester Zähne, die mit dem Glitzern in seinen Augen um die Wette strahlten.
Heute würde er Elben sehen. Schon viel zu lange war er niemandem aus diesem Volke mehr begegnet. Wie schön würde es sein, endlich wieder die melodischen Stimmen zu hören, die aus den Baumwipfeln zu einem herabperlten und wie verspielte Eichhörnchen von einem Ast zum anderen sprangen. Wie schön, sich an der Harmonie der Gemeinschaft zu laben.
Langsam ließ er den Blick von den Hügeln über die Gräser herangleiten und drehte sich schließlich herum, den alten Wald, der sich im Westen nur wenige Fußstunden entfernt erhob, ins Auge fassend.
"Die Straße nach Westen ist sicher. Fragt mich nicht wieso, aber es ist so", hatte ihm der Wirt an seinem ersten Abend hier versichert, als er sich nach dem weiteren Weg erkundigt hatte. Von den etwas vertrauenerweckender und erfahrener aussehenden Waldläufern hatte er sich erzählen lassen, daß man auf dieser Straße stets beobachtet würde, doch man könne nie sagen von wo oder durch wen. Wenn das nicht nach Elben klang?
Lächelnd, die wärmenden Strahlen der Sonne im Rücken und eine kleine Melodie summend begab sich Shahn auf den Weg.
Kurz vor der Mittagszeit, als die Sonne sich zusehends darum bemühte ihn zu plagen, statt ihm den Rücken zu wärmen, fand er sich schließlich im Schatten der ersten Bäume des alten Waldes ein.
Kurz ließ er sich am Stamm eines alten Baumriesen niedersinken, dessen Äste so knorrig und verwachsen waren, daß es aussah als hätte jemand einen Knoten hineingemacht. Nachdem er den Durst des langen Marsches mit Hilfe des nun nicht mehr ganz so prall gefüllten Wasserbeutels aus seiner Kehle vertrieben hatte, lehnte er sich am Stamm zurück, schob sein Hütchen nach hinten und spähte durch die dichten Zweige hinauf zu den wenigen, winzig kleinen Flecken Himmelsblau, die er von hier unten erkennen konnte.
Er schloß die Augen, lauschte auf das leise Rascheln der Blätter im sanften Wind, und sog die Ruhe des Augenblicks in sich auf. Nachdem er einige Minuten seine Sinne hatte schweifen lassen, holte er tief Atem, ließ die Luft in einem wohligen Seufzer entweichen und erhob sich vom Waldboden.
Noch einmal schaute er hinauf zu den knorrigen Ästen und mußte unwillkürlich grinsen, als er sich vorzustellen versuchte, welches Wesen wohl Knoten in die Äste eines Baumes machen würde.
Dann schob er sein Hütchen zurecht, zog die Laute vom Rücken, und ging mit schlenderndem Gang langsam weiter auf der Straße tiefer in den alten Wald hinein.
Nach wenigen Schritten mischten sich die sanften Töne einer Melodie in die altehrwürdige Symphonie des Waldes und kurz darauf erhob sich leise die klare Stimme des Barden und sang die ersten Zeilen eines Liedes, das er gerade in Arbeit hatte:

Bring mich wieder zurück in die Wälder
dann gräm ich mich nicht mehr so sehr
Oh, die Wälder sind tief
die Wälder sind weyt
und die Bäume die Wächter der Zeyt
Zeyt steht still schau ich über das Wasser
 
Mhhmh
...

Fröhlich pfeifend ging Theogil durch den Wald. Er war gerade auf der Suche nach geignetem Erz, um einige Schwerterklingen auszubessern. Die Kämpfe der letzten Zeit hatten einige Scharten in den Schwertern der Adler hinterlassen.
Er näherte sich der Waldstraße, als er in weiter Ferne jemanden singen hörte. Er betrat die Straße und schaute sich um.
Zu seiner Rechten sah er in einiger Entfernung jemanden die Straße hinunter wandern.
Soweit es sich auf diese Entfernung abschätzen ließ, war es weder ein Hobbit, noch ein Zwerg. Und dem Gesang nach zu urteilen, war es wohl am ehesten ein Mensch, der hier singend durch den Wald ging.
Mit einem Lächeln im Gesicht ging Theogil dem Menschen entgegen.

Eine ganze Weile schon war Shahn der im kühlen Schatten der sie säumenden Bäume liegenden Straße gefolgt. Zum ungezählten Male brach er nun wieder an der selben Stelle seinen Gesang ab, und ganz gleich wie oft er auch die Melodie der nächsten Zeile des Liedes wiederholte und wie viele Zeilen er dem Anfang des Liedes bereits hinzugefügt hatte - an dieser Stelle wollten ihm einfach nicht die richtigen Worte einfallen.
Völlig vertieft in seinen Schöpfungsprozeß und leise vor sich hinmurmelnd setzte er, ohne dem Weg große Aufmerksamkeit zu schenken, einfach immer wieder einen Fuß vor den anderen.
Daß er inzwischen noch nicht vor einen Baum gelaufen war, dürfte wohl nur dem Umstand zu verdanken sein, daß die Straße bisher einigermaßen geradlinig verlaufen war und Shahn mit jedem neuen Ansatz des Liedes den Blick ausnahmsweise mal auf den Weg richtete und diesen auch kurz wahrnahm.
Wäre dieser Umstand nicht gewesen, wäre er vermutlich glatt an dem Zwerg vorbeigelaufen, der ihm nun auf dem Weg entgegen kam.
Gerade wollte er wieder von vorne beginnen, als er der kleinen, stämmigen Gestalt vor ihm gewahr wurde. Sogleich hob sich seine Stimmung, gewährte ihm dieses Zusammentreffen doch eine willkommene Ablenkung von seinen fruchtlosen Bemühungen.
Er senkte die Laute wieder, die er gerade angehoben hatte, um beherzt in die Saiten zu schlagen, und sprach mit freundlichem Lächeln:
"Talli Ho, Herr Zwerg. Besteht wohl die Möglichkeyt, daß Ihr heuer eyn paar Elben auf Eurem Weg begegnet seyd?"

Theogil schaute den Menschen erstaunt an. "Elben? Hm... Mir sind keine Elben auf meinem Weg begegnet. Die Wahrscheinlichkeit hier Elben anzutreffen scheint mir auch eher gering." Er lächelte. "Aber warum fragt Ihr? Seid ihr auf der Suche nach bestimmten Elben?" Interessiert wartete Theogil auf eine Antwort.

"Die Wahrscheinlichkeit hier Elben anzutreffen scheint mir auch eher gering", hallten die Worte in seinem Verstand nach und Shahns Mundwinkel sanken enttäuscht nach unten. Nur langsam drang die Frage des Zwergen zu ihm durch.
"Nach bestimmten Elben? Neyn", schüttelte er den Kopf, "eynfach nur nach Elben. Ich hatte angenommen, daß es hier im Wald welche geben würde."
"Der Wirt und eynige seyner Gäste haben mir merkwürdige Geschichten erzählt, und da dachte ich ..."
"Ich würde so gerne wieder Elben sehen. Seyd Ihr sicher, daß es in diesem Wald keyne Elben gibt?", fragte er hoffnungsvoll.

Theogil schüttelte grinsend den Kopf. "Nun, sicher bin ich mir nicht. Aber das kann man bei den Elben auch nicht sein. Die haben eine Begabung dafür sich in Wäldern zu verstecken." Die Erzählungen des Wirtes und der Gäste machten Theogil stutzig.
"Aber was hat Euch der Wirt denn erzählt?" Fragend schaute er sein Gegenüber an.
Plötzlich schlug er sich an die Stirn. "Oh wie unhöflich von mir. Ich heiße übrigens Theogil."

Sogleich hellte sich Shahns Stimmung wieder auf, als er die Antwort seines Gegenübers vernahm. Sein kurzes Schmunzeln, als sich Theogil gegen die Stirn schlug, wandelte sich jedoch gleich in Bestürzung.
"Ich bin es, der sich bei Euch entschuldigen muß, schließlich war ich es, der Euch gleych mit der Frage nach Elben überrumpelt hat."
"Es freut mich Eure Bekanntschaft zu machen, Theogil, ich bin Shahn Gomeli, Bewunderer der Schönheyt, Verehrer des Lebens und Bewahrer des gedrechselten Wortes", sprachs, griff an sein Hütchen und zog es in einem eleganten Schnörkel durch die Luft, während er sich vor dem Zwerg verneigte.
"Was Eure Frage anbelangt, Theogil", fuhr er das Hütchen wieder auf seinem Kopf platzierend fort, "so sagte mir der Wirt, daß diese Straße hier ruhig und friedlich sey, er aber nicht wisse warum. Und ich hörte, man solle sich hier auf diesem Weg beobachtet fühlen, doch nie jemanden zu Gesicht bekommen."
"Sagt selbst, klingt das nicht sehr nach Elben?"

"Freut mich Euch kennenzulernen Shahn Gomeli." Innerlich mußte Theogil grinsen. Die Taten der Adler wurden also bemerkt.
"Nun, ich muß Euch Recht geben. Das klingt wirklich nach Elben. Oder nach diesen geheimnisvollen Waldläufern, von denen gemunkelt wird." Er machte eine kurze Pause und fuhr dann fort. "Und Ihr sucht nach Elben? Wollt Ihr mir den Grund verraten? Vielleicht kann ich Euch helfen. Elben sind meist nicht die Einzigen, die ein Problem lösen können."

"Nun, ich bin gewiß für jede Hilfe dankbar, jedoch das Problem, welches mich derzeyt plagt, ist eynzig und alleyn das Fehlen von Elben auf meynen Wegen, für nun schon viel zu lange Zeyt", erwiderte Shahn mit einem leisen Schmunzeln.
"Ich vermisse ihre Melodeyen. Stets wenn ich ihrer Musik lausche, lerne ich etwas Neues. Man sollte vielleycht annehmen, daß es mir selbst gelingen sollte, diese Musik zu spielen. Doch wie sehr ich mich auch bemühe, es ist doch nie das Gleyche. Vielleycht liegt es an den Instrumenten, die ich verwende, doch ich glaube, es wird keynem Menschen je vergönnt seyn, solche Musik hervorzubringen, wie es die Elben tun. Aber ich bemühe mich nach Kräften und kann mit Stolz behaupten, daß noch keyn Elb vor dem Klang meyner Laute oder meyner Stimme geflohen ist", fuhr er mit einem heiteren Grinsen in seinem Redeschwall fort.
"Doch auch wenn es hier keyne Elben geben mag, mögt Ihr mir weyterhelfen können, denn ich bin stets auf der Suche nach neuen Geschichten und Berichten von großen Taten, die ich dann in meynen Liedern den Leuten zu Gehör bringen kann."
"Kennt Ihr eyn paar gute Geschichten, Theogil, oder könnt Ihr mir von großen Taten berichten, die sich in letzter Zeyt ereygnet haben?"

Auf Theogils Gesicht zeigte sich ein Schmunzeln, als er den Barden reden hörte. "Nun, ich kenne durchaus ein paar Geschichten. Angefangen mit meiner eigenen, doch die sind alle nicht besonders gut oder fröhlich, sondern eher schlecht und eignen sich vielleicht nicht unbedingt zum Erheitern eines Publikums."
Wie immer, wenn er sich an den Grund seines Abschiedes von den Minen erinnerte, legte sich kurz ein trauriger Schatten auf sein Gesicht, der aber schnell wieder verflog.
"Und von großen Taten weiß ich auch nicht zu berichten. Aber ich habe das Gefühl, als werden wir in nächster Zeit Leute brauchen, die große Taten vollbringen." Er machte eine kurze Pause und fügte dann hinzu: "Und Leute wie Euch, die davon berichten, um den Ängstlichen Mut zu machen." Als er geendet hatte, strich sich Theogil nachdenklich mit der Hand über den Bart.

Als Shahn den Zwerg so ernst reden hörte und dann nachdenklich werden sah, wagte er einen Schuß ins Blaue.
"Ihr sprecht von dem Dunkel, das aus dem Osten heraufzieht, nicht wahr?", fragte er mit gedämpfter Stimme und fuhr dann leise fort, "Ich hatte gehofft, es wäre hier so weyt im Westen noch nicht zu spüren."

"Ihr habt also auch schon davon gehört?" Auf Theogils Gesicht war eine Mischung aus Überraschung und Freude zu sehen.
"Die meisten tun das alles nur als Gerüchte ab und wollen die Wahrheit nicht sehen. Doch auch hier so weit im Westen gibt es einige Veränderungen. Die Orks werden mutiger und greifen vereinzelt wieder Dörfer der Menschen an und es treiben auch viel mehr Banditen ihr Unwesen. Nur hier in der Nähe des Alten Waldes ist es noch recht friedlich."
Er machte eine kurze Pause und fuhr dann etwas leiser und mit einem verschwörerischen Unterton fort. "Auch im Norden in Angmar scheint sich wieder etwas zu rühren. Das macht mir die meisten Sorgen, da von dort direkte Gefahr für Eriador droht."
Theogil schwieg und schaute sich um, ob jemand sie gehört haben könnte. Für solche Neuigkeiten konnte man schon als Unruhestifter bezeichnet werden. Er konnte aber niemanden sehen und wandte sich daher wieder beruhigt dem Menschen zu.

"Das klingt wahrlich nicht gut, was Ihr mir da erzählt, Theogil", meinte Shahn nachdenklich.
Nach kurzem Zögern fuhr er fort, "Ihre Musik ist nicht der eynzige Grund für meyne Suche nach den Elben, sondern auch diese Dinge. Doch Ihr sagtet vorhin, Elben sind meist nicht die Einzigen, die ein Problem lösen können. Was - oder sollte ich fragen, wen - meyntet Ihr damit?"

"Nun, das hängt immer von Euren Problemen ab." Theogil zwinkerte dem Menschen zu. "Und oft sind es auch Mitglieder anderer Völker, die Euch helfen können. Wenn Ihr beispielsweise eine Axt geschmiedet haben wollt, solltet Ihr eher zu uns Zwergen als zu den Elben gehen." Auf Theogils bärtigem Gesicht zeichnete sich ein Grinsen ab.
Die folgenden Worte sagte er aber vollkommen ernst und mit etwas leiserer Stimme. "Und nicht alle in Eriador ignorieren das Übel. Einige versammeln sich und kämpfen gemeinsam gegen das heraufziehende Böse."
Gespannt, wie Shahn das genannte aufnehmen würde, wartete Theogil auf seine Reaktion.

"Falls Ihr mich zu solchen Leuten führen könntet, dann hättet Ihr mir fürwahr geholfen", erwiderte Shahn ebenso ernst mit fester Stimme.

Theogil betrachtete den Menschen mit einem prüfenden Blick. "Nun, ich kann Euch zu solchen Leuten führen, aber wollt Ihr das? Wollt Ihr Euch einer Gemeinschaft anschließen, die im Verborgenen und Geheimen gegen das Böse kämpft? Verzeiht, wenn ich das so sage, aber Ihr seht mir nicht gerade nach einem großen Krieger aus."

Nun schlich sich wieder ein leises Schmunzeln auf Shahns Gesicht. "Es spielt keyne Rolle wie man eynen Kampf führt, solange dies mit ehrbaren Absichten und auf ehrbare Weyse geschieht. Und es verlangt mich nicht nach Ruhm ob meyner Taten, solange sie nur etwas bewirken. Und mag ich auch keyn großer Krieger seyn, so will ich doch tun, was getan werden kann, um das Übel, das sich breitmacht, zu bekämpfen. Bedenket wohl, nicht alle Herausforderungen sind alleyn mit Schwert oder Axt zu meystern."

Man merkte deutlich, wie erfreut Theogil über die Antwort war, die er hörte. "Das Freut mich zu hören. Dann möchte ich Euch jetzt mit jemandem bekannt machen, der Euch bestimmt weiterhelfen kann. Aber wir sollten aufbrechen. Er ist in Bree anzutreffen und bis dahin ist es noch ein gutes Stück Weg, das wir zurücklegen müssen." Theogil ging los und bedeutete Shahn dabei ihm zu folgen.

Shahn nickte bestätigend und heftete sich an Theogils Fersen. Großartig, dachte er bei sich, nun bin ich den halben Tag lang nach Westen marschiert, nur um jetzt wieder nach Osten zu laufen.
Für einen kurzen Moment haderte er noch mit seinem Schicksal, das seinen Füßen eine solche Ungerechtigkeit zumutete, schob diese unerquicklichen Gedanken dann aber mit einem innerlichen Seufzer beiseite und griff erneut nach der Laute, um sich wieder seinem unfertigen Stück zu widmen.

Nach einigen Schritten brach Theogil das Schweigen. "Wenn wir schon so einen weiten Weg zu gehen haben. können wir die Zeit auch sinnvoll nutzen. Sagt, woher kommt Ihr? Was ist eure Geschichte?" Interessiert sah Theogil zu dem Menschen auf.

Shahn unterbrach sein Spiel und sah zu dem Zwerg hinunter.
"Ich komme aus dem Süden", sagte er, "doch meyne Eltern stammen hier aus dieser Gegend - so glaube ich zumindest.", fügte er schulterzuckend hinzu.
"Manchmal hörte ich sie von Bree oder vom Auenland reden, aber immer wenn ich sie fragte warum sie in den Süden zogen, sind sie meyner Frage ausgewichen."
"Ich glaube nicht, daß sie sich wirklich wohl fühlten dort im Süden, ich für meynen Teyl tat es jedenfalls ganz und gar nicht und so ergriff ich die erste Gelegenheyt, die sich mir bot, und machte mich auf in den Norden."
"Und seyt meyn Mentor und Lehrer sich zur Ruhe gesetzt hat, ziehe ich alleyn durch das Land, von Ort zu Ort, wohin mich meyne Füße tragen und sammle Geschichten und erzähle sie weyter."
"Und wie steht es mit Euch, Meyster Theogil? Unter welchem Berg lebt Ihr?"

"Ich komme aus den Blauen Bergen. Doch eines Tages wurden mein Bruder und ich von Orks überfallen, als wir durch die Berge streiften. Mein Bruder starb und ich konnte nur mit Mühe entkommen. Zurück in den Minen glaubte mir niemand, was geschehen war, da ich an dem Abend etwas zuviel Bier getrunken hatte, und alle glaubten ich wäre lediglich mit meinem Bruder aneinander geraten. Da die Orks sowohl ihre Toten, als auch meinen Bruder mit sich genommen hatten, konnte ich auch niemandem etwas beweisen. An dem Tag habe ich mich entschlossen meine uneinsichtigen Stammesgenossen zu verlassen und Rache für meinen Bruder zu nehmen. Eines Tages werde ich den Ork finden, der ihn getötet hat."
Den letzten Satz sprach er mehr zu sich selbst als zu Shahn. Auf seinem Gesicht waren sowohl Trauer, als auch Zorn zu sehen und es gelang ihm nur mit Mühe sich wieder unter Kontrolle zu bringen.
"Seit ich durch Alkohol meine Glaubwürdigkeit verloren habe, trinke ich keinen Alkohol mehr."

"Tut mir leyd, daß Euch das Leben schon so übel mitgespielt hat", meinte Shahn nach einem Moment betretenen Schweigens.
Und um Theogil wieder auf andere Gedanken zu bringen, bat er, "Erzählt mir etwas über den Mann, zu dem wir unterwegs sind."

Theogil nickte und beruhigte sich etwas.
"Nun, über ihn gibt es zwar viel zu erzählen, doch möchte ich das nicht alles erzählen. Er hat wie ich eine traurige Vergangenheit und es soll seine Entscheidung sein, ob er davon erzählt."
Er machte eine kurze Pause.
"Manchen mag sein Erscheinungsbid etwas sonderbar vorkommen, aber man sollte ihn nicht unterschätzen. Er kann sowohl mit Waffen, als auch mit Worten umgehen und hat sich in letzter Zeit ein wenig vom Weg der Waffen abgewandt und beschreitet nun den Weg der Worte und des Wissens. Auf seinen Rat solltet ihr hören."
Während er sprach, glätteten sich die Zornesfalten in seinem Gesicht und er beruhigte sich vollends.

Shahn nickte erfreut. Das klang ausgesprochen vielversprechend. Dieser Mann schien wirklich der richtige zu sein, um ihm bei seinen Problemen zu helfen.
Sie hatten inzwischen ein gutes Stück Weg zurückgelegt und in einiger Entfernung ließ sich bereits das Ende der Straße am Rand des Waldes ausmachen. Die Hitze des Mittags war vergangen und Shahn freute sich schon darauf wieder in den wärmenden Sonnenstrahlen über die Wiesen zu wandern.
Plötzlich wurde es still und ein kalter Windzug fegte die Straße entlang. In der Ferne erklang leiser Hufschlag, der rasch näher kam. Shahn sah sich irritiert um.

Theogil merkte, wie ihn eine seltsame Kälte ergriff. Er sah Shahn an und bemerkte, daß dieser sich ebenfalls erstaunt umschaute. Plötzlich hörte Theogil Hufgetrappel hinter sich und erinnerte sich an das, was ihm Thalinor eines Tages erzählt hatte. "Schnell! Runter von der Straße!" Er rannte schnell in den Wald und warf sich auf den Boden.

Shahn hechtete dem Zwerg hinterher und keinen Moment zu spät, denn gerade als sie sich in den Büschen am Wegesrand verborgen hatten und keine Bewegung sie mehr verraten konnte, sprengte auf dem Weg vor ihnen ein nachtschwarzes Roß vorbei. Von seinem Reiter war nicht viel mehr als ein dunkel wehender Umhang zu erkennen, der das Gesicht vollständig verbarg. Wie eine Schleppe zog er die Eiseskälte hinter sich her, die die beiden Reisenden vor seinem Kommen gewarnt hatte.
Shahn wagte keinen Laut von sich zu geben. Mit bangem Blick sah er seinen Begleiter an und lautlos formten seine Lippen das Wort ... Nazgûl

Theogil sah dem Nazgûl nach und schaute sich dann zu Shahn um. Er konnte an seinen Lippen ablesen, daß dieser auch erkannt hatte, was da gerade an ihnen vorbei geritten war. "Wir müssen weiter. Jetzt ist es erst recht wichtig, daß wir schnell nach Bree kommen." Er sprang auf und ging mit beschleunigten Schritten zurück zur Straße. Er mußte Shahn schnell nach Bree bringen und dann dafür sorgen, daß Thalinor von diesem Vorfall Nachricht bekam.

Shahn beeilte sich, dem schnell ausschreitenden Zwerg zu folgen. Vergessen war jeder Gedanke an wärmende Sonnenstrahlen oder unvollendete Lieder. Jetzt hieß es nur, so schnell wie möglich ihr Ziel zu erreichen.
Als sie den Waldrand erreichten hoffte Shahn nur, daß ihnen auf dem freien Gelände nicht noch einmal so eine Kreatur begegnen würde.
"Habt Ihr hier vorher schon eynmal eynen von ihnen gesehen?", fragte er Theogil im Laufen.

"Bisher nicht, aber ich habe schon von ihnen gehört. Es sind die Ringgeister und sie gehorchen allein Saurons Willen. Wenn sie hier herumstreifen, dann bedeutet das, daß Sauron wieder erstarkt ist. Ich sehe dunkle Tage für uns hereinbrechen." Seine Gesichtszüge waren hart geworden und er schien sich nur noch auf das Ziel zu konzentrieren. Seine Schritte wurden immer schneller, bis er beinahe lief, denn er konnte in seiner Rüstung nicht das Risiko eingehen zu laufen. Dann hätte man sie hunderte von Metern weit hören können.

Shahn fiel es immer noch schwer sich den schnellen kleinen Schritten seines Begleiters anzupassen, so verfiel er schließlich auf einen ständigen Wechsel zwischen Laufen und Gehen, wobei er Theogil immer wieder kurz überholte und dann wieder an sich vorbeimarschieren ließ.
"Ich glaube ich habe vier von ihnen in Richtung Westen reyten sehen, als ich dem Grünweg nach Norden in Richtung Bree folgte. Doch ich war zu weyt entfernt, um sicher seyn zu können, und ich hielt es eynfach nicht für möglich. Aber jetzt ..."
Shahn ließ den Satz unvollendet. Er konnte es immer noch nicht richtig glauben, doch schlußendlich war das Treiben der Nazgûl ja der eigentliche Anlaß für seine Suche nach den Elben gewesen, auch wenn es sich bisher nur um Gerüchte gehandelt hatte.
Hoffentlich war der Mann, zu dem sie unterwegs waren, wirklich so fähig und erfahren wie Theogil ihn beschrieben hatte.
Shahn sparte seinen Atem und hielt während seines Trotts aufmerksam Ausschau nach allen Seiten.

Grinsend beobachtete Theogil, wie Shahn versuchte sich seiner Geschwindigkeit anzupassen. Aber Shahns Worte ließen das Grinsen sofort wieder verfliegen. "Vier Reiter? Ich hätte nicht gedacht, daß so viele von ihnen hier sind."
Diese Worte hatten ihn zum Nachdenken angeregt. Was wollten die Nazgûl im Westen? Ging es ihnen um die Minen der Zwerge? Wollten sie diese zu einem Bündnis "überreden"? Oder wollten sie an die Grauen Anfurten gelangen? Theogil war sichtlich verwirrt über das, was er gehört hatte. Beim Grübeln wäre er fast über einen Stein gestolpert, was ihn wieder in die Realität zurückbrachte.
"Dort vorne ist Bree. Man kann es schon sehen."
Sie hatten den Wald verlassen und waren daher ohne Deckung. Geheimhaltung erschien Theogil nun ohnehin sinnlos und so nahm er die Beine in die Hand und lief auf das Stadttor zu.

Als Theogil sein Tempo beschleunigte verfiel Shahn in einen lockeren Trab und gemeinsam näherten sie sich der Stadt am anderen Ende der offenen Fläche. Die Sonne stand noch hoch am Himmel und das Tor der Stadt war daher nicht verschlossen. Schon konnten sie die ersten Leute auf den Straßen ausmachen.

Theogil nickte den Wachen im Vorbeigehen zu. Man kannte sich, da er sehr oft in Bree war und auch Shahn wurde ohne Probleme durchgelassen. Auf dem Weg zum Tänzelnden Pony wandte sich Theogil mit leiser Stimme an Shahn. "Hier in der Stadt solltet Ihr aufpassen, was Ihr sagt und Euch vergewissern, daß Euer Geldbeutel stets bei Euch ist. Es gibt viele neugierige Ohren und auch einige Taschendiebe, obwohl die Wache in dieser Richtung bereits Fortschritte macht."

Shahn nahm die Information mit einer Mischung aus Erstaunen, Unglauben und Bestürzung auf, nickte dann aber nur mit einem bestätigenden Brummen und verkniff sich für den Moment weitere Fragen, während er Theogil zum Tänzelnden Pony folgte.

Mit einem Knarzen öffnete Theogil die Tür zum Tänzelnden Pony und ihn empfing ein warmer verrauchter Schankraum, in dem man die seltsamsten Gäste antreffen konnte. Theogil ging mit schnellen Schritten direkt zur Theke und bestellte sich einen Krug Wasser.
"Was wollt ihr trinken Shahn? Das geht heute mal auf meine Kosten."

Mit einem lauten Seufzer lehnte sich Kirhelm weit in seinen Stuhl zurück und betrachtete weiter gelangweilt das Geschehen im Schankraum. Kirhelms Blick wanderte zu seinem Mantel, und für einen Moment spielte er mit dem Gedanken seinen Stab zu nehmen und einen kleinen Spaziergang durch Bree zu machen.
Als jedoch zwei neue Gäste den Raum betraten, von denen einer, der Zwerg Theogil, ihm wohlbekannt war, machte er es sich auf seinem Stuhl wieder gemütlicher.
Ein kurzes Lächeln spielte über Kirhelms Lippen als er die beiden von seinem Platz in der Ecke des Schankraums beobachtete, und er musterte den Gast, den Theogil mitgebracht hatte.

"Ich danke Euch, Theogil. Für den Moment nehme ich das gleyche wie Ihr, das sollte den schlimmsten Durst nach unserem Lauf hierher löschen."
Shahn ließ sich vom Schankwirt einen großen Becher mit frischem Wasser füllen und leerte ihn in langen Zügen. Mit einem erfrischten Seufzer schob er anschließend den Becher mit einem freundlichen Nicken über den Tresen zurück und schaute sich im Schankraum um, während er darauf wartete, daß Theogil ihn nach dieser wohltuenden Erfrischung zu dem Mann führte, den zu treffen sie hierher gekommen waren.

Theogil trank in großen Schlucken und schaute sich dann im Schankraum um. In einer Ecke entdeckte er endlich Kirhelm. "Wartet hier Shahn und kommt nach, wenn ich Euch zu mir winke." Er ging langsamen Schrittes zu Kirhelm und setzte sich.

Shahn nickte sein Einverständnis und ließ seinen Blick weiter durch den Schankraum wandern. Dabei versuchte er möglichst unbeteiligt zu wirken und gleichzeitig Theogil im Auge zu behalten, doch wer ihn für einen Moment näher in Augenschein nahm, dem konnte seine Nervosität unmöglich verborgen bleiben: sein Hütchen, das er nach dem erfrischenden Trunk abgenommen hatte, litt schreckliche Qualen unter seinen knetenden Fingern. Es würde wohl nie wieder das Hütchen sein, das es einmal gewesen war.

"Na alter Freund? Wie geht es Dir?", begrüßte Theogil Kirhelm.
Während er redete, schrieb er eine kurze Nachricht auf einen Zettel und schob ihn zu Kirhelm herüber.
"Kannst Du diesen Zettel vielleicht von Deinem Raben zu Thalinor bringen lassen? Es sind Dinge geschehen, von denen er unbedingt erfahren muß. Wir sind einem der schwarzen Reiter begegnet. Und vier weitere reiten angeblich Richtung Westen." Theogil hatte seine Stimme gesenkt, damit sie niemand belauschen konnte.

Kirhelms Miene wurde grimmig als er Theogils Worten lauschte. Mit einem Nicken und einer schnellen Handbewegung ließ er den Zettel in einer Westentasche seiner Kleidung verschwinden.
"Ich werde es veranlassen ... unglücklicherweise erwarte ich Finster erst zum Abend wieder und er mag Nachtflüge nicht sonderlich, aber das ist eine besondere Situation ..."
Einen langen Moment schwieg Kirhelm nachdenklich bevor er sich wieder Theogil zuwandte.
"Du sprachst von 'Wir', war dieser Fremde dabei als Du dem Reiter begegnet bist?"

Theogil nickte. "Ich habe ihn begleitet. Er interessiert sich für den Flug der Adler, wie Du so gerne sagst." Er zwinkerte Kirhelm zu und winkte dann Shahn herüber.

"Oh, dann bin ich mal gespannt wen Du da aufgegabelt hast", mit seinem üblichen Lächeln blickte Kirhelm Shahn erwartungsvoll entgegen.

Wieder wanderte Shahns Blick zu der Ecke, in die Theogil sich begeben hatte. War das der Mann? War das der Mann, der ... Merkwürdige Bilder schlichen sich in seine Gedanken: ein dicklicher, älterer Mann, in graues Tuch gekleidet und mit einem Geflecht aus Draht im Gesicht, in einem Gebäude mit Wänden aus Glas und Vorhängen, die statt zur Seite nach oben gezogen werden. Schnell vertrieb er diese Gedanken wieder, die so gar nicht zum Ernst der Situation passen wollten.
Auf den ersten Blick machte der Mann, mit dem Theogil sprach, einen durchaus erfahrenen und Vertrauen erweckenden Eindruck. Konnte er helfen? Konnte er einen Widerstand der freien Völker gegen das heraufziehende Übel organisieren?
Da! War das das Zeichen? Unschlüssig drückte sich Shahn mit den Ellenbogen vom Tresen ab, an dem er bis jetzt rücklings gelehnt hatte, und ging langsam zu der Ecke hinüber, bis er schließlich kurz vor Kirhelm stehen blieb.
"Ich grüße Euch", nickte er Kirhelm freundlich zu und mit fragendem Blick zu Theogil, "Ist er das? Kann er uns helfen?"

Kirhelm schmunzelte kurz bevor er Theogil mit einer Antwort zuvorkam.
"Ob ich Euch helfen kann? Nun, wenn Ihr mir sagt was für Hilfe Ihr benötigt, mag ich durchaus imstande sein Euch zu helfen ... wenn mir denn danach ist ... aber jetzt setzt Euch erst einmal und sagt mir, was genau Ihr von mir wollt."

"Wenn Euch danach ist?!" Erschrocken schaute Shahn sich um, ob jemand aufgrund seines etwas laut gewordenen Ausrufs auf ihr Gespräch aufmerksam geworden war. Als er niemanden sehen konnte, der ihnen übermäßige Aufmerksamkeit schenkte, wendete er sich wieder Kirhelm zu.
"Hat Euch Theogil noch nichts gesagt?", fragte er leise, während er sich langsam auf einem Schemel am Tisch niederließ. Sein ungläubiger, leicht verzweifelter Blick wanderte zwischen Theogil und Kirhelm hin und her.

"Nun, er sagte mir, daß Ihr eine Begegnung mit einer der dunklen Gestalten hattet, die seit kurzem in dieser Gegend für Unruhe sorgen, wenn auch niemand genau weiß wer oder was sie sind."
Nach dieser leise vorgetragenen Antwort fuhr sich Kirhelm mit dem Zeigefinger über die Narbe an seinem rechten Auge, bevor er diesen auf den Barden richtete.
"Doch die momentan wichtigere Frage ist, was für ein Interesse habt Ihr daran?"

"Meyn Interesse daran?" Ungewollt mußte Shahn schmunzeln, ja fast grinsen, als er sich angesichts dieser Frage sein an Wahnwitz grenzendes Vorhaben erneut vor Augen führte.
"Es geht mir lediglich um das Wohl der freyen Völker von Mittelerde", erwiderte er schließlich mit schlecht gespielter Leichtigkeit, nachdem er seine Gesichtszüge wieder unter Kontrolle gebracht hatte.
Noch einmal blickte er zu Theogil um dann Kirhelm fest ins Auge zu fassen. Nach einem kurzen Moment gab er sich einen Ruck und zog seinen Schemel näher an den Tisch heran.
"Hört mich an ..." und mit eindringlicher leiser Stimme berichtete er von seiner letzten Reise aus dem Süden, einer merkwürdigen Krankheit, die König Theoden von Rohan befallen haben soll, dem Schwinden des Waldes am Isen, den vier Ringgeistern, die er vor etwa drei Tagen nach Westen reiten sah und dem einen, vermutlich von diesen vier, der Theogil und ihm im alten Wald begegnet war.
"Es muß etwas geschehen", schloß er seinen Bericht. "Lieder und Geschichten alleyne reychen nicht aus, um dieses Übels Herr zu werden."
"Nun sagt, könnt Ihr helfen? Und ist Euch danach?"

Mit ernstem Blick lauschte Kirhelm dem Bericht Shahns, die Miene verdüsterte sich bei den Neuigkeiten aus Rohan, und bei der letzten Frage Shahns verzog er kurz die Mundwinkel zu einem halben Lächeln.
"Hmm ... Ihr wißt viel von den Geschehnissen, die sich zur Zeit über die Länder des Westens ausbreiten. Doch nicht nur Informationen sondern auch Euch selbst bietet Ihr an, um gegen diese Dinge anzugehen. Und alles für das Wohl der freien Völker?"
Ein kaltes Lächeln erschien auf Kirhelms Gesicht während er Shahn mit durchdringendem Blick musterte.
"Solche Opferbereitschaft sieht man selten in diesen Tagen, Ihr müßt wohl entweder ein sehr edelmütiger Narr sein ... oder doch ein Diener des Feindes, ein Knecht dunkler Herren."
Erneut fuhr sich Kirhelm mit dem Finger über die Narbe an seinem Auge, bevor er fortfuhr.
"So verratet mir ... mein wohlinformierter Freund ... was treibt Euch wirklich dazu Euch in diese Gefahr zu begeben? Ihr könntet ein leichtes Leben führen, viele Orte würden Euch dafür offen stehen, und doch wollt Ihr Euch gegen eine Gefahr stellen, die nur wenige als überhaupt von größerer Bedeutung ansehen. Warum ist das so?"

Shahn wich dem Blick Kirhelms nicht aus. Bei der Erwähnung der Möglichkeit, er könne ein Spion der umgehenden dunklen Mächte sein, zogen sich seine Augenbrauen zornig zusammen. Doch dann entspannte er sich wieder und ein erfreutes Lächeln legte sich auf seine Züge.
"Eyn leychtes Leben könnte ich führen, fürwahr, und täte ich dies gerne. Doch für wie lange wird mir dies noch möglich seyn? Als mich meyn Weg zuletzt nach Süden führte, war es dort eynfach nicht mehr so wie zuvor. Kurz nachdem ich die Grenze zu Gondor überquert hatte, kehrte ich wieder um. Das ungute Gefühl, welches mich zur Umkehr bewog, lichtete sich zwar zusehends auf meynem Weg nach Norden, doch blieb es düsterer als noch wenige Tage zuvor in Richtung Süden. Nun komme ich hierher in den Westen und sehe schwarze Reyter. Sagt mir, wohin soll ich mich noch wenden? Selbst eyne Maus wendet sich zum Kampfe, treybt Ihr sie in die Enge. Doch bin ich Mann, nicht Maus, und werde nicht mit ansehen wie alles, was mir lieb und teuer, zugrunde geht."
"Doch Eure Worte zeygen mir, daß Theogil mich offenbar zu dem richtigen Mann geführt hat. Drum sagt mir, was kann ich tun, um Euer Vertrauen zu erlangen?"
Dann richtete sich sein Blick auf Kirhelms Narbe, über die dieser so oft mit dem Finger strich, und leise sprach er, "No caul a naeg ed le gwanno"

Bei Shahns letzten Worten verfinsterte sich Kirhelms Blick kurz und er murmelte etwas nahezu unverständliches, bei dem es scheinbar um das Einmischen in fremde Angelegenheiten ging.
Doch dann war wieder das übliche spöttische Lächeln auf seinem Gesicht und Kirhelm antwortete in freundlichem Tonfall: "Vertrauen ist etwas, das nur Narren leichtfertig in diesen Tagen vergeben. Aber auch der ist ein Narr, der in jedem Fremden einen Feind sieht. Insbesondere da Theogil Euch sein Vertrauen schenkt ... Nun gut, ich habe noch ein paar Dinge zu erledigen, Ihr habt doch sicher nichts gegen einen kleinen Spaziergang oder?"

Kirhelms brummiges Gemurmel tat Shahn mit einem leisen Schmunzeln ab.
"Sicher nicht", antwortete er auf dessen Frage. "Wohin soll es denn gehen?"

"Nur ein kleiner Ausflug zum Stadtrand, ich erwarte dort jemanden.", antwortete Kirhelm knapp bevor er an Theogil noch hinzufügte, "Ich denke wir sehen uns bald wieder, ich werde ein paar Dinge regeln und dabei ein wenig unseren Freund hier kennenlernen."
Mit diesen Worten stand Kirhelm auf und machte sich auf den Weg das Gasthaus zu verlassen, jedoch wartete er bis auch Shahn sich zu ihm gesellte. "Wart Ihr eigentlich schon öfter in Bree, soweit herumgereist wie Ihr sagt? Mich würde interessieren was Ihr von diesem Ort denkt."

Shahn erhob sich von dem Schemel, und da Kirhelm offenbar nicht wünschte, daß Theogil sie beide begleitete, wendete er sich kurz an seinen bisherigen Weggefährten.
"Ich danke Euch, Theogil, daß Ihr mich hierher geführt habt. Ich hoffe wir werden bald wieder eynmal gemeynsam reysen. Und möge diese Reyse dann unter eynem besseren Stern stehen, als die zurückliegende."
Er nickte Theogil noch einmal mit einem dankbaren Lächeln zu und folgte dann Kirhelm aus dem Gasthaus.
"Gelegentlich in den vergangenen Jahren", antwortete er auf dessen Frage. "Doch was ich von dem Ort denke? ... Das Gasthaus ist sehr eynladend", fuhr er schmunzelnd fort. "Jedenfalls verbinde ich mit diesem Ort keyne schlechten Erinnerungen, meyne Aufenthalte hier waren immer recht angenehm. Ob das auch diesmal so seyn wird, wird sich zeygen. Der Grund für meyn Hierseyn ist jedenfalls dieses Mal weniger erfreulich."
"Übrigens, ich weyß nicht, ob Euch Theogil meynen Namen bereyts genannt hat. Ich bin Shahn. Vertraut Ihr mir schon so weyt, daß Ihr mir Euren Namen verratet?", fragte er Kirhelm mit einem verschmitzten Lächeln.

"Ihr solltet hoffen, daß ich Euch vertraue, denn wer weiß schon wo ich Euch hinbringe ...", kam die Antwort mit kaltem Lächeln.
"Kirhelm ist mein Name, erfreut Euch kennenzulernen, Shahn der Weitgereiste." Mit weit ausladenden Schritten führte Kirhelm Shahn in Richtung der Stadttore von Bree.
"Wenn Ihr also schon einmal hier wart, fällt Euch nicht etwas auf? Wie der Himmel sich vor einem Sturm verdunkelt, so scheint es auch hier zu sein, an manchen Orten schlimmer als an anderen." Im Gehen wies Kirhelm mit dem Kopf auf eine Gruppe älterer Männer, wohl einfache Bewohner des Dorfes, die tuschelnd und mißtrauisch zu den beiden herüberblickten.
"Man kann kaum erahnen, ob man in der Not eine Hand zur Hilfe gerreicht bekommt oder einem die Tür vor der Nase zugestoßen wird ..."

"So wird es dieses Mal also weniger angenehm werden", erwiderte Shahn nickend. "Ich habe mich bey unserem Eyntreffen hier nicht weyter umgeschaut, da Theogil uns geradewegs zum Gasthaus führte, doch paßt es zu seyner Warnung vor Taschendieben und anderem Gelichter. Und in Anbetracht unserer Begegnung im Wald, nimmt es mich nicht Wunder, was hier für eyne Stimmung herrscht."
"Ich frage mich nur, ob er sich noch immer hier in der Nähe herumtreybt oder weyter nach Osten geritten ist ... und wo seyne drey - Freunde - sich aufhalten."
"Meynt Ihr man sollte die Leute hier warnen oder lieber abwarten? Und was haltet Ihr von der Stadtwache, Kirhelm? - der Argwöhnische", gab Shahn mit einer leichten Verbeugung und einem kurzen bübischen Grinsen den Titel an Kirhelm zurück, bevor er umgehend wieder ernst wurde und sich beim Gehen weiter umsah.

Ein kurzes Schmunzeln fuhr über Kirhelms Gesicht bevor er antwortete.
"Unwissenheit ist ein Segen für diese Leute." Mit einer leicht abwertenden Handbewegung zeigte er auf die Bewohner Brees um sie herum. "Sie würden sich nur unnötig über Dinge Sorgen machen, für die sie nicht die Macht besitzen diese zu ändern, und außerdem wäre es eine Gefahr für all die, die im Verborgenen gegen den Schatten kämpfen. Denn wenn auch sicherlich nur wenige die Dunkelheit begrüßen würden, so ist der Wille der meisten doch so schwach, daß sie leicht aus Gier oder Angst nachgeben würden. Und der Feind muß ja nicht wissen, was wir über seine Bewegungen und Taten bisher erfahren haben."
Bald darauf verließen sie die Tore Brees und nachdem sie außer Sichtweite der Torwachen waren, steuerte Kirhelm eine kleine Baumgruppe abseits der Straße an.
"Nein, unser Kampf ist ein geheimer, nicht der besungener Helden vergangener Zeitalter, aber das ist Euch sicher klar, oder?"

"Wenn Ihr mich damit fragen wollt, ob es mir um meynen persönlichen Ruhm geht, dann lautet die Antwort darauf: Neyn! Und ob im Geheymen oder offen ist mir gleych. Doch scheynt es in Anbetracht der Umstände tatsächlich angeraten, sich vorerst bedeckt zu halten. Der Tag mag kommen, an dem man die freyen Völker offen zum Widerstand gegen die dunkle Bedrohung aufrufen kann. Doch heute ist gewiß nicht dieser Tag."

Kirhelm nickte bei den Worten Shahns und führte die beiden zu einem großen umgestürzten Baumstumpf in der Mitte der Baumgruppe.
Einen langen Augenblick schaute Kirhelm suchend zum Himmel hinauf, bevor er sich mit einem leichten Seufzer auf den Baumstumpf setzte.
"Es scheint wir sind noch zu früh, nun gut ...", mit einem leicht erschöpften Ausdruck in den Augen blickte Kirhelm Shahn an. "Ich gebe zu, daß wir Leute wie Euch sehr gut gebrauchen könnten, dunkle Taten wurden begangen und es fällt schwer auf einen Morgen nach der uns bevorstehenden Nacht zu hoffen. Ich möchte Euch jedoch noch einige Fragen stellen, denn ich bin der Meinung, daß wir aus dem Feuer unserer Vergangenheit geformt werden, und so möchte ich etwas mehr über Eure erfahren. Wo seid Ihr geboren? Was ist mit Eurer Familie? Was habt Ihr getan bevor Ihr zu einem ruhelosen Wanderer wurdet?"

Shahn ließ sich ein klein wenig abseits des Baumstumpfes im Schneidersitz auf dem Boden nieder, so daß er neben Kirhelm auch die Straße im Blick hatte.
"Wollt Ihr Tatsachen oder Geschichten hören?", fragte er mit einem kurzen freudlosen Grinsen und bevor Kirhelm antworten konnte fuhr er fort, "Durch die Lande wandere ich eygentlich schon meyn ganzes Leben, von Norden nach Süden, von Westen nach Osten und wieder zurück, immer soweyt wie es gerade ratsam erscheynt, doch nie weyter nach Süden als bis an Gondors äußerste Grenzen. Seyt ich damals zusammen mit meynem Mentor die Grenze Gondors zum ersten Mal überschritten habe, habe ich nie wieder eynen Fuß in die Südlande gesetzt. Eynige Jahre sind wir zusammen umhergewandert, von ihm habe ich alles gelernt, was ich weyß. Er war mir mehr Vater als irgendjemand sonst. Diese Laute hier, ist seyn Vermächtnis an mich."
Bei diesen Worten holte Shahn die Laute hinter dem Rücken hervor und ließ seine Finger zärtlich über das Instrument streichen.
"Das wären die Tatsachen. Meyn Geburtsort, meyne Familie? Nun, meyne Eltern, so es denn meyne Eltern waren, kamen gewiß nicht aus dem Süden, jedenfalls habe ich weder bey ihnen noch bey mir je Ähnlichkeyten mit den Südländern feststellen können. Aber sie sind mir stets ausgewichen, wenn ich sie danach gefragt habe, und schließlich habe ich es aufgegeben, von ihnen etwas erfahren zu wollen. Ich glaube, daß sie hier aus Eriador stammten, doch warum sie mit mir in den Süden zogen?"
Shahn zuckte hilflos die Schultern.
"Irgendwann habe ich eynfach meyne Sachen gepackt und bin fortgelaufen - da kann ich kaum zehn Jahre gezählt haben. Ich wollte eynfach nur weg. Kurze Zeyt später traf ich dann meynen Mentor, der auch nicht länger im Südland leben wollte und gemeynsam sind wir dann nach Norden gezogen."

Aufmerksam lauschte Kirhelm den Worten Shahns. Als dieser endete, sagte Kirhelm in ernstem, fast mitfühlendem Tonfall, "Euer Mentor scheint ein bemerkenswerter Mann gewesen zu sein. Was ist ihm widerfahren oder wollt Ihr lieber nicht darüber reden?"

"Es macht mir nichts aus darüber zu sprechen. Die Menschen leben schließlich nicht ewig und das Leben geht weyter und ich verbinde wirklich nur gute Erinnerungen mit der Zeyt, die wir zusammen verbracht haben, denn eyn bemerkenswerter Mann war er in der Tat."
"Er war schon recht betagt, als ich ihn damals traf. Und als er irgendwann meynte, er könne mir nun nichts mehr beybringen und er sey des Reysens langsam müde, hat er sich in eynem kleynen Gasthaus in Rohan zur Ruhe gesetzt. Ich habe ihn dort noch zweymal auf meynen Wanderungen besucht. Bey meynem letzten Besuch hat er mir das Versprechen abgenommen, daß ich ihn so in guter Erinnerung behalten möge und ihn nicht mehr besuche."
"Inzwischen dürfte er wohl gestorben seyn, doch ich bin sicher, daß er ruhig und zufrieden von uns gegangen ist. Er hatte eyn erfülltes Leben und er litt an keynem Gebrechen, das ihm die letzten Tage sauer hätte werden lassen."
Nach einem kurzen Moment des Schweigens fragte Shahn Kirhelm, "Sagt Ihr mir, auf wen wir hier warten?"

"Auf einen Boten meiner Gemeinschaft warten wir, ich denke er wird wohl bald hier sein." Kirhelm blickte suchend zum Himmel bevor er sich wieder Shahn zuwandte. "Aber nun habe ich Euch viele Dinge gefragt ohne Euch Gelegenheit zu geben das Gleiche zu tun. Ich weiß nicht wieviel Theogil Euch erzählt hat aber gewiß habt Ihr noch Fragen, oder?"

"Nun, er hat mir nicht viel erzählt, bevor wir auf so besorgniserregende Weyse unterbrochen wurden, nur daß Eure Gemeynschaft im Geheymen arbeytet, wie Ihr es ja selbst auch schon angedeutet habt."
"Die Frage, die mir wirklich auf der Seele brennt, ist, was Ihr nun zu tun gedenkt, da ich Euch von dem berichtet habe, was ich erfuhr. Doch werdet Ihr mir diese Frage wohl kaum beantworten können, ohne Euch zuvor mit den Anderen Eurer Gemeynschaft zu beraten. Aber vielleycht könntet Ihr mir erzählen, was Eure Gemeynschaft bisher unternommen hat und was sich in letzter Zeyt hier zugetragen hat, daß sich die Leute so verändert haben."

"Unsere Taten liegen verborgen und so kämpfen wir auch gegen den Feind. Wir sammeln Informationen und gehen gegen die Diener des Schattens vor, wenn sich uns die Gelegenheit bietet, doch müssen wir immer achtsam sein, denn wir sind wenige und verwundbar." Kirhelm seuzfte. "Unsere Geheimhaltung wurde jedoch vor kurzem gebrochen und unser Lager vernichtet, unsere Mitglieder gejagt. Viele sind seitdem verschollen und es ist ungewiß wer wiederkommen wird, selbst unser Anführer muß sich vor dem Auge des Feindes verbergen, bis dieser die Jagd aufgibt oder wir einen neuen sicheren Ort finden."
Mit durchdringendem Blick fixierte Kirhelm Shahn und sprach mit ernster Stimme, "Nach dem, was Ihr wißt, wollt Ihr Euch immer noch den Adlern des Westens anschließen?"

Shahn verfiel für einen Moment in nachdenkliches Schweigen.
Dann nickte er langsam. "Ja. Ja, das will ich. Ihr und Theogil seyd die ersten, die ich traf, die mir ihre Hilfe angeboten haben. Nun werde ich Euch die meyne nicht verweygern."
"Und da Eure Gemeynschaft bereyts Rückschläge erfahren hat, kann der Zusammenhalt jener, die übrig geblieben sind, nur um so stärker seyn."
"Ja, davon wäre ich gerne eyn Teyl, und gemeynsam werden wir allen Widernissen die Stirn bieten, komme was da wolle."

Kirhelm nickte zustimmend und erklärte mit einem Lächeln, "Kraft meiner Position als Ratsmitglied der Adler des Westens nehme ich Euch in unsere Gemeinschaft auf. Mögen wir gemeinsam gegen die herannahende Dunkelheit bestehen!"

"Ich danke Euch, Kirhelm", erwiderte Shahn ebenfalls lächelnd. "Möge die Dunkelheyt weychen, wo immer die Schwingen der Adler sich zeygen."

Shahn Gomeli T.B. Trennlinie Impressum